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Dienstag, 28. Juni 2022

Stadt Linz erforscht Fledermaus-Fauna

Schützenswerte Stadtbewohner sind Indikatoren für den Klimawandel

Mehr als die Hälfte der über 1.400 Fledermausarten weltweit sind vom Aussterben bedroht. Als Hauptursache gilt die Zerstörung ihrer Lebensräume, wie etwa die Abholzung der Wälder. Bei uns in Mitteleuropa kommen einschränkende Faktoren durch Straßen- und Bahnbauten, thermische Sanierungen an Gebäuden mit Quartierverlusten, Änderungen in der Land- und Forstwirtschaft und Lichtverschmutzung dazu.  

Fledermäuse gehören zu den geschützten Tierarten und spielen eine wichtige Rolle in der Regulierung von Insekten. Im Zuge spezieller Artenschutzprojekte wird versucht, die Kolonien der heimischen Fledermausarten zu erhalten und zu fördern. Der gesetzliche Schutz bewirkt, dass der Lebensraum dieser Tiere auch bei Planungen wie beispielsweise im Straßenbau oder bei der Errichtung von Windkraftanlagen, stärker berücksichtigt wird. 

Doch das Insektensterben, aber auch eine stark an Gewinnoptimierung ausgerichtete Waldbewirtschaftung und Landwirtschaft, sind Faktoren, die Fledermäusen eine unsichere Zukunft bescheren.

„Wie man aus dieser Bedrohung sieht, gehen die Klimakrise und das Artensterben Hand in Hand. Während die Klimakrise in der Bevölkerung längst angekommen ist, fehlt für die Artenkrise noch das Bewusstsein. Dabei ist es aufgrund der Tatsache, dass bereits rund ein Drittel der heimischen Tier- und Pflanzenarten akut bedroht ist, hoch an der Zeit, Gegenmaßnahmen zu setzen. Zu den Tierarten, die sensibel auf den Klimawandel reagieren, zählen vor allem die Fledermäuse. Sie haben somit eine Indikatorfunktion, die uns zeigt, wie weit die Folgen der Klimakrise bereits fortgeschritten sind. Die Stadt Linz hat sich daher entschlossen, ein Forschungsprojekt, das sich mit den langfristigen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Fledermausfauna befasst, finanziell und organisatorisch zu unterstützen“, betont Klimastadträtin Mag.a Eva Schobesberger.

Zusammenhang von Artensterben und Klimakrise untersuchen

„Im Sinne der Linzer Klimastrategie ist es von großer Bedeutung, den Zusammenhang von Artensterben bzw. der Biodiversitätskrise und dem Klimawandel in der Stadt Linz zu untersuchen. Das Projekt hat auch zum Ziel, die Bevölkerung in die Erhebung miteinzubeziehen. Nach der Startphase in diesem Jahr sollen die Bürgerinnen und Bürger ab dem kommenden Jahr aktiv mit eigenen Beobachtungen an der Erhebung mitarbeiten können“, sagt Klimakoordinator Oliver Schrot.

„Fledermäuse sind stark vom Klimawandel betroffen. Durch ihre komplexe Lebensweise stellen sie wichtige Indikatoren für Ökosysteme dar. Durch ihre hohe Mobilität können sie rasch auf Veränderungen wie die Klimaerwärmung reagieren. Fledermäuse eignen sich somit hervorragend als Anzeiger dafür, wie sich der Klimawandel auf die Stadtnatur auswirkt“, erklärt Mag. Dr. Guido Reiter von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ).

„Die Stadt Linz widmet sich bereits seit langen Jahren der Erforschung und dem Schutz der Fledermäuse. Deshalb haben wir die Möglichkeit, über längere Zeiträume vergleichende Studien zu betreiben. Gleichzeitig können wir durch das Wissen um die Lebensraumansprüche der Fledermäuse gezielte Maßnahmen zum Schutz dieser gefährdeten Säugetiere treffen“, so Mag.a Gudrun Fuß von der Naturkundlichen Station der Stadt Linz, die das Projekt begleitet.

Stadt Linz ist Vorreiterin beim Fledermausschutz

Der Fledermausschutz ist nicht nur Thema der letzten „Winterausgabe“ (4/21) der Naturkundlichen Zeitschrift ÖKO.L, sondern bereits seit Bestehen der Naturkundlichen Station eine Schwerpunktaktivität im Rahmen der Biotopkartierungen dieser wissenschaftlichen Einrichtung der Stadt.

Dabei wird eng mit den Expertinnen und Experten der Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) zusammengearbeitet.Diese Organisation auf Vereinsbasis mit Sitz in Leonding untersucht die Fledermausbestände und deren Veränderungen in ganz Österreich. Das von der Koordinationsstelle eingereichte aktuelle Projekt befasst sich, so der Arbeitstitel, „mit den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Fledermausfauna der Stadt Linz im Hinblick auf die Veränderungen im Arteninventar, die relativen Häufigkeiten und ihre Ökosystemleistung“.

Die Mittel dafür wurden im Gemeinderat am 24. Mai dieses Jahres beschlossen und betragen rund 79.000 Euro. Das Projekt ist auf die Jahre 2022 und 2023 ausgelegt und wird aus dem Klimafonds der Stadt Linz gefördert. 

Das Vorhaben wurde im Vorfeld vom Klimabeirat in der Sitzung vom 16. März 2022 als förderungswürdig bewertet. Hauptziel ist, Veränderungen der Artenzusammensetzung der Fledermäuse und Einflüsse des Klimawandels festzustellen. 

Bevölkerung soll aktiv miteinbezogen werden

Im Rahmen der Erfassung der Daten ist weiters geplant, die Bevölkerung aktiv mit einzubeziehen. Darüber hinaus sollen Bauträgern und Behörden Informationen in Bezug auf Maßnahmen zum Fledermausschutz bei thermischen Gebäudesanierungen vermittelt werden. Im Zuge der Erhebungen wird auch untersucht ob sich Fledermäuse auch von Insekten ernähren, die als Überträger für Krankheiten fungieren. 

Die Ergebnisse sollen nach Abschluss des Projekts in breitem Rahmen publiziert werden und beispielsweise in Merkblätter für Bauträger, Industrie und Gewerbe im Hinblick auf Fledermausschutz einfließen. Auch die Zusammenführung mit anderen Projekten der Stadtökologie wird angestrebt.

Die Kosten für das Projekt, das sich über zwei Jahre erstreckt, decken die Sach- und Personalkosten ab. Der tatsächliche und vor allem der ideelle und monetär nicht bezifferbare Aufwand ist jedoch viel höher, da außer den vier Mitarbeiter:innen des Projektteams auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz sind, die in ihrer Freizeit unentgeltlich tätig sind. 

Mit dem „Kernteam“, bestehend aus Mag. Dr. Guido Reiter, Mag.a Isabel Schmotzer und Julia Kropfberger von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz sowie Mag.a Gudrun Fuß von der Naturkundlichen Station der Stadt Linz ist eine Projektausführung durch renommierte Fachexpert*innen mit bester wissenschaftlicher Provenienz gewährleistet.

Linz hat Pionierinnenfunktion in der Fledermausforschung

Linz hat seit Jahrzehnten eine Pionierinnenfunktion in der Fledermausforschung inne. So wurde bereits in den Jahren 1985 bis 1990 Erhebungen in Bezug auf das Vorkommen der einzelnen Fledermausarten im städtischen Lebensraum vorgenommen und lokal, regional und national verglichen sowie bewertet.

Weiters gab es im Jahr 2002 eine großangelegte Untersuchung, bei der Quartierkontrollen, Netzfangaktionen, sowie qualitative und quantitative akustische Erhebungen mittels Ultraschalldetektoren durchgeführt wurden.

Aufbauend auf den Daten der vorangegangenen Untersuchungen ist somit ein langjähriger Vergleich zwischen der heutigen Fledermausfauna im Stadtgebiet Linz und der Artenzusammensetzung vor 35 bzw. 20 Jahren möglich. 

Das lässt Rückschlüsse im Hinblick auf vollzogene und sich vollziehende Veränderungen über längere Zeiträume zu. Es wird einerseits ein Teil derselben Standorte wie damals bearbeitet, andererseits kann durch den Einsatz neuer Methoden und erweiterter Erhebungen ein ganzheitlicheres Bild der vorkommenden Fledermausfauna dargestellt werden. Ebenso wie bei den vorangegangenen Projekten werden zusätzlich zu den systematischen Untersuchungsräumen Zufallsfunde in die Auswertungen integriert.

Nach einer Startphase in diesem Jahr soll ab 2023 auch eine gezielte Bewusstseins- arbeit und die Miteinbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in das Forschungsprogramm beginnen. Heuer erfolgt, und dies ist auch Anlass dieser Pressekonferenz, eine entsprechende Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit. Es soll auch über Zwischenergebnisse berichtet werden. 

Im Vorfeld wurden heuer bereits an verschiedenen Standorten in Linz, unter anderem am Weikerlsee und am Mitterwasser, Netzfang-Aktionen durchgeführt, verbunden mit akustischen Erhebungen und der Sammlung von Kotproben. Im weiteren Verlauf sind jeweils in den Sommermonaten die eigentlichen Kartierungen in Form von Netzfangaktionen, Gebäudekontrollen, akustischen Erhebungen, sowie die Suche nach Fledermausquartieren durch morgendliche und abendliche Beobachtungen vorgesehen. Über den Winter erfolgt jeweils die Aufarbeitung und wissenschaftliche Dokumentation der Forschungsergebnisse.

Fledermausvorkommen in Linz

Fledermäuse sind, auch wenn aufgrund ihrer Nachtaktivität relativ wenig von ihnen zu bemerken ist, in dicht besiedeltem Gebiet bzw. in der Stadt häufiger verbreitet als man denkt. Mehr als ein Drittel der 24 mitteleuropäischen Fledermausarten kommt auch im städtischen Bereich vor. Vor allem Spalten und offene Dachböden an Gebäuden, sowie Baumhöhlen bietenden Tieren Quartiermöglichkeiten.

Rund ein Dutzend Fledermausarten wurden bei den Untersuchungen 2002 in Linz nachgewiesen, wie das Braune und Graue Langohr, die Wasserfledermaus, die Bartfledermaus, die Rauhhautfledermaus, die Mopsfledermaus, die Zweifarbfledermaus, das Mausohr, der Abendsegler, die Nordfledermaus und die Zwergfledermaus.  

Die Erfassung der Tiere erfolgt mit mehreren Methoden. Bei sogenannten Quartierkontrollen stützen sich die Forscher*innen auf Sichtbeobachtungen, die Registrierung von Fledermausguano und Totfunde. 

Dazu kommen Netzfänge mit so genannten „Japan-Netzen“. Das sind Spezialnetze, die für den wissenschaftlichen Vogel- und Fledermausfang benutzt werden. Sie bestehen aus sehr feinem Netzwerk, das von den Tieren kaum wahrgenommen wird.  Die Tiere werden gefangen, vermessen, die Art bestimmt und umgehend wieder freigelassen.

Eine weitere Methode ist der Einsatz von Ultraschalldetektoren. Diese wandeln die Ultraschalllaute der Fledermäuse in für Menschen hörbare Frequenzen um. Spezielle Geräte können Fledermausrufe aufnehmen und speichern. Die Rufe werden dann am Computer analysiert. Durch diese Methode können einige, aber nicht alle Fledermausarten, bestimmt werden.

Folgende Ergebnisse sind im Rahmen der zweijährigen Kartierung zu erwarten:

Es soll eine Liste der aktuell in Linz vorkommenden Fledermausarten erstellt werden, ebenso Informationsblätter über nachgewiesene Arten und deren Schutz für die teilnehmende Bevölkerung. Diese sollen ab dem kommenden Jahr herausgegeben werden.

Merkblatt für Wohnbauträger und Behörden zum Schutz der Fledermäuse bei thermischen Sanierungen

Im Zuge des Kampfs gegen den Klimawandel werden immer mehr Gebäude durch thermische Sanierung an heutige energiesparende Standards angepasst. Dadurch gehen jedoch viele Fledermausquartiere in Spalten oder Hohlräumen an Gebäuden verloren. Mit Hilfe eines Merkblatts für Wohnbauträger soll auf die Möglichkeiten zum Erhalt von Fledermausquartieren bzw. auf Ausgleichsmaßnahmen durch Neuanlagen von Quartieren hingewiesen werden. 

Alle heimischen Fledermausarten ernähren sich praktisch ausschließlich von Insekten. Durch die Globalisierung werden nicht-heimische blutsaugende Insektenarten (z.B. Asiatische Tigermücke, Japanische Buschmücke), die als Vektoren Viren, Bakterien und Parasiten auf den Menschen übertragen können, anthropogen eingeschleppt. In weiterer Folge lösen die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen eine Ausbreitung dieser Vektoren (Überträger) aus, die zum Beutespektrum von Fledermäusen gehören. Bestimmte Fledermausarten könnten daher als Helfer zur Auffindung und zur Kontrolle dieser Insektenarten fungieren.

Im Kot der Fledermäuse können diese Insekten einerseits morphologisch, aber auch genetisch (mittels DNA-Nachweis) festgestellt werden. Im Rahmen dieses Projekts wird daher der Kot von Fledermäusen analysiert, um so indirekt Aussagen über Vorkommen und Ausbreitung dieser speziellen Insekten und ihrer potenziellen „Gegenspieler“ treffen zu können.

Bei der Erforschung der „Insektenvektoren“, also der Rolle, die Insekten als Krankheitsüberträger spielen, nimmt das von der Stadt Linz geförderte Projekt eine Pionierinnenrolle ein. „Dies kann für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Linzerinnen und Linzer sehr wichtig werden, wenn wir Fledermäuse als Jäger der neu einwandernden Mücken nachweisen können. Dann kann man überlegen, wie wir diese Arten fördern können“, hebt Dr. Guido Reiter einen weiteren Aspekt der Untersuchungen hervor.

Geplante Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung

Gerade Stadtbewohner:innen zeigen ein starkes Interesse an der Natur. Daher wird im Zuge dieses Projektes eine direkte Verbindung zur Stadtbevölkerung gesucht. Mit Hilfe medialer Aufrufe soll den Menschen im kommenden Jahr die Möglichkeit geboten werden, sich ein Gerät zur Aufnahme von Fledermausrufen auszuleihen. Das Gerät wird dazu am Wohnort (z.B. im Garten) der Personen aufgestellt und nimmt automatisch alle Fledermausrufe in der Umgebung auf. Die ausgewerteten Daten werden an die interessierten Personen weitergegeben. Durch dieses Feedback kann das Bewusstsein der Stadtbevölkerung für diese streng geschützten Lebewesen geschärft und auf deren Schutzstatus, Bedürfnisse, Lebensraumansprüche und Fördermöglichkeiten hingewiesen werden.

Zum Abschluss der Aktion ist zudem eine umfassende Berichterstattung in der Naturkundlichen Zeitschrift der Stadt Linz ÖKO.L geplant.

Text- und Fotoquelle: Stadt Linz 

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