Im Jahr 2019 beschloss der Gemeinderat der Stadt Linz, alle Verkehrsflächen durch eine Kommission von Expert:innen untersuchen zu lassen. In der Folge wurden vier Straßen umbenannt, und der ausführliche Bericht der Kommission wurde auf den Internetseiten der Stadt Linz veröffentlicht. Nunmehr legt das Archiv der Stadt Linz ein Handbuch über die derzeit 1210 Linzer Straßennamen und ihre Herkunft vor. Ergänzt wird das Nachschlagewerk durch eine umfassende Einleitung, in der über die Entstehung der Linzer Straßennamen berichtet wird.
Der geschäftsführende Vizebürgermeister Dietmar Prammer zeigt sich erfreut, dass nun ein aktuelles gedrucktes Straßennamenverzeichnis vorliegt: „Nach der Untersuchung der Linzer Straßennamen durch eine Historiker:innenkommission war klar, dass die Hauptergebnisse der Untersuchung auch in analoger Form präsentiert werden sollten. Dieses Versprechen löst das Archiv der Stadt Linz nun ein.“
„Ich möchte mich ganz herzlich bei Archivdirektor Walter Schuster und dem gesamten Team bedanken. Es ist wichtig, dass die Erkenntnisse der Historiker:innenkommission hier nun eingeflossen sind. Besonders gelungen finde ich, dass nicht nur die Ursprünge und Bedeutungen der Straßennamen in Linz beleuchtet werden, sondern auch die Benennungen nach Frauen besonders in den Fokus gerückt werden“, so die für das Archiv der Stadt Linz zuständige Bildungs- und Frauenreferentin Mag.a Eva Schobesberger.
Die Hauptachse des Straßenverkehrs in Linz bildete über Jahrhunderte hinweg die Nord-Süd-Achse Hauptstraße-Donaubrücke-Hauptplatz-Landstraße. Während die ummauerte Stadt dicht besiedelt und mit einem kleinteiligen Straßennetz durchzogen war, waren die Vorstädte vergleichsweise locker bebaut. Im 19. Jahrhundert änderte sich die Situation völlig, Straßen sollten nun der effizienten Erschließung der Stadt dienen. Um schließlich den Anforderungen des Kraftfahrzeugverkehrs zu entsprechen, wurden Straßen begradigt und verbreitert. Damit wurde auch das öffentliche Leben von den Straßen weitgehend verbannt. Neuere Entwicklungen gehen wieder dahin, Straßenzüge, die nicht dem Durchzugsverkehr dienen, vielfältigeren Nutzungen zuzuführen.
Über Jahrhunderte spielte sich das Leben in Linz weitgehend innerhalb der Stadtmauern und damit innerhalb eines vergleichsweise begrenzten Raums ab. Entsprechend wenig Probleme kamen hinsichtlich Orientierung innerhalb der Stadt auf. Ab dem späten 18. Jahrhundert halfen Konskriptionsnummern dabei, den Überblick über den Häuserbestand zu behalten. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es fast zu einer Verdreifachung der Bevölkerung der Stadt Linz und einem dynamischen Wachstum der Stadt, was planerische Eingriffe notwendig machte. Dies beinhaltete neben der geplanten Erschließung von Stadterweiterungsgebieten auch ein neues System von Häusernummerierungen, welches 1869 eingeführt wurde und bis heute gilt.
Einzelne Straßenzüge und Plätze hatten bereits sehr früh allgemein geläufige Bezeichnungen; für Linz sind schon für das Mittelalter einzelne Namen überliefert. 1864 unternahm man den ersten bekannten Anlauf, Straßen gezielt und offiziell zu benennen. Bei der Einführung der neuen Häusernummerierung fünf Jahre später mussten nun endgültig Kriterien für Straßennamen eingeführt werden. Die Straßenbenennung wurde nun erstmals zu einer Möglichkeit, Personen zu ehren und damit automatisch auch zu einem Politikum hinsichtlich der Auswahl der ehrwürdigen Personen. Durch Benennungen bzw. Umbenennungen von Straßen wurden besonders im Zuge der großen historischen Umbrüche im 20 Jahrhundert immer wieder politische Akzente gesetzt.
Manche dieser Namen gelten jedoch aus heutiger Sicht als historisch belastet. Deshalb veröffentlichte Ende 2022 eine vom Gemeinderat eingesetzte Straßennamenkommission eine umfassende Recherche zu diesem Thema. Dabei wurden vor allem die Problemfelder Nationalsozialismus und Antisemitismus untersucht. In der Folge wurden insgesamt vier historisch belastete Straßennamen im Linzer Stadtgebiet umbenannt. Drei dieser Straßen erhielten Namen bedeutender Frauen, wodurch ein Zeichen auch für eine diversere Erinnerungskultur gesetzt wurde.
Frauen finden sich in der Frühzeit der Straßenbenennungen über viele Jahrzehnte nur spärlich unter den so geehrten Personen. Als man 1869 die Benennung nach Personen etablierte, waren Frauen aus weiten Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen. Die zunehmende Teilhabe der Frauen am öffentlichen Leben im Verlauf des 20. Jahrhunderts, vor allem aber auch das steigende Bewusstsein für ihre lange Zeit ignorierten oder übersehenen Leistungen führten zu vermehrten Straßenbenennungen nach Frauen. Im Bewusstsein dieser Missachtung vieler Leistungen der Frauen in der Vergangenheit hat es sich daher die Stadt Linz zum Ziel gesetzt, bei künftigen Straßenneubenennungen vorzugsweise nach Frauen zu benennen.
Den Kern des Buches bildet eine alphabetische Übersicht über alle derzeit existierenden 1.210 Straßen und Plätze in Linz. Dazu werden außerdem auch alle bekannten historischen, heute aber nicht mehr bestehenden Straßennamen angeführt. Bei jeder Verkehrsfläche wird die Lage nach Stadtteil und Katastralgemeinde sowie ihr Verlauf angegeben und erklärt, woher der Name stammt und seit wann sie diesen trägt. Wenn die Straße frühere andere Bezeichnungen hatte, wird dies ebenfalls angegeben. Abgerundet wird das Straßenverzeichnis durch passende Abbildungen von Kartenmaterial und Ansichten von Straßenzügen.